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DER FEIND MEINES FEINDES IST MEIN...

Wer hätte das gedacht: Dieser Logik folgend, stehen Ten O‘Shadiif, mächtiger Cektronn von Z-Zemothy und Torkrage Treerose, einst einflussreichster König im Roten Nebel, plötzlich Seite an Seite beim alles entscheidenden Sturm gegen die geheimnisvolle Elite-Armee Ramones, der Urmutter der Kirche, während ich mit Karen und den anderen eine Entdeckung mache, welche das Depot von Coruum wie eine kleine Garage wirken lässt: Mit Hilfe von Syncc Marwiin, dem alten Wissenschaftler der Organisation, finden wir die Wurzel der Nebel-Zivilisationen ausgerechnet auf der guten alten Erde, tief verborgen in einer wirklich sehr großen Arche in Afrika.

Und so wie es aussieht, enthält diese Arche den einzigen Schalter, der die Erde aus der Kettenreaktion der anstehenden Potentialkatastrophe ausklinken kann und natürlich darf nur ich ihn betätigen. Leicht gesagt – dummerweise wäre das der sichere Untergang des Dritten Imperiums der Sole-Sourcer. Und das sind bis heute unsere Vorfahren.

Leseprobe

1 Erde

Uganda, Ruwenzori-Mountains-Nationalpark
28. Oktober 2014
30397/1/25 SGC


Donavon

Feuchtigkeit schlug mir entgegen.

Eine dichte Wand weißen Nebels stand mir in wenigen Schritten Abstand undurchdringlich gegenüber. Ich spürte den Hauch einer Bewegung in meinem Nacken und zuckte unwillkürlich zusammen, bevor ich den Bügel des sich aktivierenden Visiers über meinen Augen bemerkte. Die Nebelwand verschwand, als die Netzhautprojektion das wirkliche Bild überlagerte.

»Damit sollte es gehen, Don«, sagte Karen und stellte sich neben mich, die Hände unternehmungslustig in die Hüften ihres himmelblauen Overalls gestemmt. Sie drehte ihren Kopf einmal von rechts nach links, als sie die Umgebung absuchte und ihr Blick schließlich mit einem tiefgründigen Lächeln bei mir hängen blieb.

»Ich mag diese Art von Urlaub, Don. Ich muss nicht packen, die Ausrüstung wird gestellt, Geld spielt keine Rolle und das Beste: keine Touristen.«

»Das Bett hätte etwas weicher sein können und der Orangensaft - oder was immer das war - war nicht frisch gepresst«, erwiderte ich grinsend »und ich hätte meinen Overall gern in einer etwas männlicheren Farbe.«

»Wieso? Blau ist doch männlich.« Sie grinste. »Wie Hud Pasuun mir erklärte, Don, ist das die Farbe für die besonders Schutzbedürftigen«, sagte Karen bereits einige Schritte entfernt mit belustigtem Unterton, während sie sich ganz der Untersuchung körpergroßer Lobelien hingab, die dort an der Grenze des nackten Felsplateaus, auf dem sich unser Habitat befand, in Massen wuchsen und teilweise Baumhöhe erreichten.

Mein Blick fuhr zum Himmel. Die Sonne war bereits aufgegangen, hing als fahler, vom Visier abgedunkelter Fleck knapp über einem langgestreckten, flachen Kamm am Horizont. Ich fand keine Spur unseres unsichtbaren Begleitschutzes, obwohl ich sicher war, dass wenigstens einer dieser fliegenden Metallberge uns in diesem Augenblick beobachtete.

Der greise Wissenschaftler hatte sich in der letzten Nacht verabschiedet, nachdem er uns hier abgesetzt hatte. Zuvor hatte das Schiff noch vier kugelähnliche Gebilde ausgeladen, welche, zu einem Quadrat zusammengebaut, unser Habitat bildeten. Jede Kugel maß gut sechs Meter im Durchmesser, verfügte innen über zwei Etagen und war von außen ohne Visier nahezu unsichtbar.

Versucht nach Sonnenaufgang diese Position zu finden, hatte er zum Abschied gesagt, und dann waren wir allein gewesen - bis auf unseren unsichtbaren Begleitschutz.

Ein leises Rauschen aus dem Ohrhörer des Visiers lenkte mich einen Moment ab. Kartenansichten erschienen.

»Hier ist der Weg zu den Koordinaten, Karen und Donavon«, sagte unser Aufpasser. »An dieser Stelle wurden Hindernisse beseitigt. Im Umkreis von 20 Kilometern befinden sich vier Siedlungen. Der zehn-Kilometer-Umkreis ist zurzeit leer. Diese Gruppe hier wird unter Beibehaltung ihrer gegenwärtigen Geschwindigkeit in 50 Minuten diesen Umkreis betreten.« Mein Visier zeigte ein Zeltlager am Fuße eines großen schneebedeckten Berges, etwa 11 Kilometer entfernt. »Die Gruppe ist auf dem Weg zum Gipfel, der innerhalb des Umkreises liegt, kommt Eurem markierten Ziel nicht so nahe, dass ich eingreifen muss.«

Ich stimmte gedanklich zu. Diese Leute waren sicher auf dem Weg zu ihrer finalen Etappe auf den Gipfel des Mount Stanley. Nachdem wir in der letzten Nacht in unser Habitat eingezogen waren, hatte Karen in dem Teil, der für Erkundungsaufgaben eingerichtet war, die Geografie der Umgebung angesehen. Die Besucher hatten ein erdumspannendes Satelliten-Netz aufgebaut, das es uns ermöglichte, jeden Punkt der Erdoberfläche nahezu verzögerungsfrei anzusehen. Wir hatten das Zeltlager entdeckt und konnten die schlafenden Personen zählen. Diese Funktionalität ersetzte leider nicht unser lückenhaftes kartografisches Wissen über Afrika. Grenzverläufe, Namen von geologischen Formationen - all das fehlte uns jetzt schmerzlich zur eigenen Orientierung.

Wir arbeiteten beide außerhalb unserer klassischen Kerngebiete und Afrika kannte ich nur von zwei früheren Besuchen in Kapstadt und Nairobi. Karen hatte den Kontinent noch nie zuvor betreten.

Das Habitat befand sich am inneren, östlichen Rand eines uralten Kraters von knapp viereinhalb Kilometern Durchmesser. Die Koordinaten der von Sinistra gefundenen Anomalie befanden sich nahe von dessen Zentrum, von uns keine zwei Kilometer entfernt. Die über die Zeit aberodierten Ränder lagen nur noch wenige hundert Meter über dem Kratertal und zeugten von seinem Alter.

Wir hatten uns beide an Teile unseres Grundstudiums zurückerinnern müssen und schienen uns recht sicher, dass der Ruwenzori-Gebirgszug, dessen höchster Gipfel der Mount Stanley ist, sich auf dem Ostafrikanischen Grabenbruch befindet, und dort auf dem westlichen Rift, dem linken Arm sozusagen. Es war eine geologische Tatsache, dass ein vorhandener Riss in der Lithosphäre unter uns dazu führen würde, dass der östliche Teil dieses Bruchs in den nächsten Millionen Jahren eine eigene Insel im Indischen Ozean bilden würde. Nebenprodukte der Entstehung dieses Risses waren der erloschene Krater, in dem wir uns jetzt befanden.

Die Daten aus dem Habitat hatten uns immerhin verraten, das wir uns hier auf einem Hochplateau befanden, was die relativ kühlen Temperaturen erklärte - waren wir doch nahe am Äquator in einem tropisch-heißen Regenwaldgebiet, durchaus vergleichbar mit den klimatischen Bedingungen des Petén.

»Komm schon, Don - trödel nicht!« hörte ich Karen aus dem Ohrhörer.

Ich war die letzten Minuten in Gedanken vertieft und den Anblick der üppigen Flora genießend zurückgefallen. Jetzt blieb ich stehen, um mich zu orientieren.

Die Pflanzenwelt wurde ähnlich dicht wie in Coruum. Neu hinzugekommen waren federgleiche Farne und moos-ähnliche Gewächse, welche die ohnehin kargen Zwischenräume von Ästen und Blättern weiter gegen das Eindringen jeglichen Sonnenlichts abschotteten. Der Pfad, dem ich die letzten Minuten unbewusst gefolgt war, verlor sich im dunklen Schatten der dichten, grünen Vegetation.

»Folge der orange schimmernden Linie in deinem Visier, Don«, kam die ungeduldige Anweisung Karens.

Ich entdeckte die Linie am rechten Rand meines Gesichtsfeldes. Langsam drehte ich den Kopf nach rechts, bis sie wieder in der Mitte vor mir lag. Die Ansicht der Umgebung änderte sich, der Kontrast wurde erheblich besser. Auf dem Boden sah ich orange Fußstapfen, - visuell verstärkte Abdrücke von Karen! Dieses Visier begeisterte mich immer mehr. »O. k., ich sehe deine Spur«, sagte ich und folgte der Linie durch dichten Farn hindurch, bis ich beinahe in Karen hineinlief, die vor einem Felsdurchbruch auf mich wartete.

Das hatte unser Aufpasser wohl gemeint, als er sagte, es wurde ein Hindernis beseitigt. Vor uns lag ein Tunnel mit kreisrundem Querschnitt im Sandstein, von mehr als vier Metern Durchmesser. Ich grinste in mich hinein angesichts der brutalen Effizienz der Mittel unserer auswärtigen Freunde und betrat den Tunnel, der sich leicht abfallend die nächsten einhundert Meter fortsetzte.

»Ein kleinerer Durchmesser war wohl nicht möglich«, hörte ich Karen hinter mir verblüfft sagen.

»Nicht bei ihrer Körpergröße«, antwortete ich und erreichte das Ende des Tunnels.

Vor mir lag ein Kratersee, der an seiner gegenüberliegenden Seite von einem Fluss gespeist wurde. Die Vegetation wuchs bis dicht an die Ufer heran, lediglich an seiner linken Seite ragte die Felswand, durch die wir soeben geschritten waren, steil in die Höhe. Der Fluss hatte in ihr mehrere Höhlungen ausgewaschen, deren Tiefe sich meinem Blick vom gegenwärtigen Standort aus entzog.

Karen trat an meine Seite, die Augen unter dem Visier über den See gerichtet. »Sieh mal, Don, da drüben sind Büffel!« Mein Blick folgte ihrem ausgestreckten Arm zum gegenüberliegenden Ufer. Zuerst erkannte ich nur eine graue Masse, kaum zu unterscheiden von der normalen Pflanzenwelt. Nach wenigen Augenblicken zoomte die Darstellung heran, als würde ich in einem Satz über den See hinwegspringen. Rotbraune Waldbüffel mit dicken gedrungenen Hörnern standen bewegungslos am Wasserrand, sogen misstrauisch die Luft ein. Nur vereinzelt bewegten sich Kälber zwischen den erwachsenen Tieren. Die orange Visier-Linie führte geradeaus auf den See hinaus, bevor sie mit einer eleganten Linkskurve abbog und in einer der Öffnungen in der Felswand verschwand.

Ich setzte mich auf einen moosbewachsenen Felsen und wischte mir die ersten Schweißperlen des Tages von der Stirn. »Und jetzt?« Karen drehte sich zu mir und sah mich fragend an. »Schwimmen?«

»Nur, wenn es hier keine Krokodile gibt.«

Ich erhob mich, ging zur Felswand hinüber und dicht an ihr entlang, bis sie das Seeufer erreichte. Ein schmaler, moosbewachsener Sockel setzte sich in den See hinein fort und verlief nur wenige Zentimeter unterhalb der Wasseroberfläche.

»Äh, Zenturio?«, rief ich unseren Aufpasser.

»Certeer, Donavon!«, tadelte mich Karen ob der falschen Ansprache.

Ich erhielt keine Antwort.

Ratlos blickte ich mich um - intuitiv nach dem fliegenden T Ausschau haltend.

»Warum meldet er sich nicht?«, fragte Karen unsicher, unsere Isoliertheit in dieser Gegend ohne die Verbindung zu den Besuchern realisierend. »Certeer?«

Keine Antwort.

»Ist bestimmt Blumen pflücken«, sagte ich betont locker. »Ich probier in der Zwischenzeit den Weg hier aus, mal sehen, ob die Stiefel wasserdicht sind.«

Mein Tritt auf dem rutschigen Moos war überraschend sicher. Der Bewuchs federte leicht unter meinem Gewicht, während ich Meter um Meter dicht an der Felswand langwatete. Ein Schauder lief mir über den Rücken, als ich mich an meine Klettertour mit Sturgis hinaus aus dem Cenote in Coruum erinnert fühlte.

»Ich denke, der Weg fällt trocken, wenn es weniger Niederschlag gibt«, drang Karens Stimme aus dem Ohrhörer. »Wahrscheinlich hat der Certeer es daher nicht für notwendig befunden, uns hier einen neuen Tunnel zu bauen.«

Das klang plausibel. Nach einigen Minuten trat der Grat auch tatsächlich über die Wasseroberfläche. Ich drehte mich um und winkte Karen, mir zu folgen. Die Felswand hatte eine leichte Kurve genommen und ich befand mich jetzt in der ersten Öffnung, bereits unter einigen Metern überhängenden Gesteins. Die Öffnung überspannte wenigstens zehn Meter Wasseroberfläche, um dann in einem äußerst massiven Pfeiler aufzusetzen und in den nächsten Bogen überzugehen.

Erst aus meiner augenblicklichen Perspektive konnte ich erkennen, wie sich die Wasserfinger der nebeneinanderliegenden Öffnungen im Inneren der Höhle wieder zu einer zusammenhängenden Wasserfläche verbanden. Die kleinen Inseln der Pfeiler wirkten jetzt wie gigantische Arkaden vor einem überdachten Hafen.

Sprachlos folgten wir dem Weg weiter in die Höhle hinein, immer an der Wasserlinie entlang, bis wir uns in einem geräumigen Kuppelsaal befanden, dessen eine Seite von sieben großen, unregelmäßigen Öffnungen durchbrochen war, welche die ersten Strahlen morgendlichen Sonnenlichts hineinließen.

»Ich bin nicht sicher, ob schon viele Menschen vor uns hier gewesen sind, Don.«

Ich tippte mir in den Nacken und deaktivierte das Visier. Die Magie dieses Ortes wollte ich möglichst unverfälscht auf mich wirken lassen. Die von der unruhigen Wasseroberfläche reflektierten türkisenen Sonnenstrahlen tanzten über die zackige Sandsteinoberfläche um uns herum und vermittelten durch den Stroboskopeffekt einen unglaublichen Eindruck von Tiefe.

Karen war in den hinteren Bereich der Höhle weitergegangen und winkte mir aufgeregt, ihr zu folgen.

»Hier sind Malereien, Don, komm her!«

Ich stieg über kleinere Felsbrocken hinweg und gelangte zu ihr. Ohne mich zur Kenntnis zu nehmen, starrte sie an die hohe, verhältnismäßig glatte Wand vor uns. Ich kniff die Augen zusammen, um etwas zu erkennen, und ahnte mehr, als dass ich wirklich etwas sah, zusammenhanglose, sehr verblasste Striche und Flächen, an denen einmal Farbe gewesen sein mochte. Ich trat ein paar Schritte näher. Mit viel Wohlwollen hätte man diese Zeichnung als eine Gruppe vorzeitlicher Jäger beschreiben können.

»Visier!« sagte Karen atemlos von hinten.

»Was?«, ich tippte an den Mikroschalter, verstummte schlagartig und trat ein paar Schritte zurück.

Das hatte definitiv noch niemand gefunden. Es wäre unmöglich gewesen, diese Entdeckung in der Weltpresse zu übersehen. »Die Zeichnungen von Tassili in Algerien sind Stümperei dagegen«, flüsterte Karen in meinem Ohrhörer.

Langsam ging ich weiter rückwärts, bis ich gegen sie stieß. Sie lehnte ihren Kopf an meine Schulter. Minutenlang standen wir regungslos, schweigend und tief bewegt vor dem riesigen Gemälde und ließen die Details auf uns wirken.

Die fahlen Linien waren verschwunden. Kräftige glitzernde Farben hatten sie ersetzt. Die Szene wurde dominiert von zwei Gruppen. Ich bin kein Anthropologe, deshalb bezeichne ich die linke Gruppe aus sechs Individuen einmal als frühe Form des Homo sapiens. Sie standen aufrecht, waren ein gutes Drittel kleiner als die Vertreter der zweiten Gruppe und stützten sich auf Speere und Jagdbögen. Ihre dunklen Körper waren bis auf einen Lendenschurz unbekleidet, ihre Gesichter waren von Bärten bedeckt, die Stirn ein wenig fliehend, die Augen unter mächtigen Brauen versteckt, ihre Körperbehaarung war sehr ausgeprägt. Alle bis auf zwei Individuen dieser Gruppe von Frühmenschen, die einen Gegenstand entgegennahmen, blickten in verschiedene Richtungen, als beobachteten sie aufmerksam die Umgebung, unsicher, ob sie der gegenwärtigen Situation trauen dürften.

Die andere Gruppe auf der rechten Seite war menschlich. Ich sah einen schlanken, hochaufragenden Körperbau, schmale Augen - vergleichbar den Massai - mit hellerer Haut im Gesicht. Sie waren vollständig bekleidet, ihre Schädelform war länglich. Hier handelte es sich um vier Repräsentanten.

Die beiden Gruppen waren einander zugewandt. Zwei Männer der linken erhielten einen Gegenstand von einem hervorgehobenen Mann der rechten Gruppe. Die Aufstellung der Personen beider Parteien hatte etwas Feierliches, Würdevolles. Obwohl der Entwicklungsunterschied zwischen den Gruppen offensichtlich war, hatten die Künstler des Bildes die Vertreter der höher stehenden Kultur in Demuthaltung dargestellt.

Die Übergabe des Gegenstandes musste einen hohen Symbolwert besitzen, unterstrichen durch einen plakativ dargestellten, körpergroßen Schild in der Hand einer Frau der rechten Gruppe. Sie trug ihr schwarzes, langes Haar zu einem Zopf gebunden, der bis zu ihrer Hüfte reichte und zeichnerisch durch ein kunstvoll drapiertes Band bis zum Boden verlängert wurde. Von der Hüfte des Mannes, der den Gegenstand an die andere Gruppe überreichte, hing ein ähnliches Band, das sich auf dem mit Gras bedeckten Boden aufwendig mit dem der Frau verschlang und die Szene nach unten hin abschloss. Zwei Männer hinter dem Hervorgehobenen hielten lange Speere, die in krallenbewehrten Schalen zu stehen schienen und deren Spitzen leuchteten. Die Speerhand jedes Mannes steckte in einem Handschuh, der die Finger frei ließ.

Immer wieder kehrte mein Blick zu dem Objekt in der Mitte des Bildes zurück. Der hervorgehobene Mann neigte sich zu seinen beiden kleineren Gegenübern herab, während er ihnen einen Quader überreichte, der entfernt an ein solides Buch erinnerte. Aus dessen Oberseite erstrahlte das Emblem, welches Sinistra uns übermittelt hatte und das Syncc Marwiin recht überstürzt zur Rückkehr bewogen hatte.

Im Hintergrund der Frühmenschen waren einfache Hütten zu erkennen, hinter der rechten Gruppe war ein festungsähnlicher Stadtring mit hohen Mauern angedeutet. Senkrecht daraus stieg ein ellipsoides Raumschiff in den Himmel empor, der als schimmernder Bogen die gesamte Szene überdachte.

Karen riss sich schließlich als Erste von dem überwältigenden Anblick los.

»Mein Gott, Don! Kann das sein?«

Der Blick, den sie mir zuwarf, drückte Fassungslosigkeit aus.

»Was kommt als Nächstes?«

Sie deutete auf das Bild.

»Weißt du, was das bedeutet?«

Ich nickte. »Ja - wir sollten die Zeichnungen von Tassili auch mit unserem Visier betrachten«, antwortete ich im Scherz, den ich beim Anblick ihrer enttäuschten Reaktion sofort bedauerte.

»Entschuldige, Karen.« Ich drückte sie an mich. »Es bedeutet natürlich, dass die Erde die Quelle der Zivilisation im Roten Nebel ist.« Ich lachte sie an. »Und wir beide haben den Beweis vor unserem Freund Keleeze gefunden!« Ich wischte mit meinem Handrücken liebevoll ein paar Tränen aus ihrem Gesicht.

Die Darstellung in meinem Visier flackerte.

»Wir sind die einzigen lebenden Menschen, die das im Moment wissen«, flüsterte Karen mit belegter Stimme.

»Nicht unbedingt!«, drang eine neue Stimme aus meinem Ohrhörer.

Ich wirbelte herum, Karen mitreißend. Vor uns materialisierte unser Begleitschutz, ein über drei Meter großes T in einem fahlen Silberton. Im Gegensatz zu dem Anzug, den ich nach meinem ersten Zusammentreffen mit den Besuchern in Coruum gesehen hatte, war dieser hier mit zwei großen stromlinienförmigen Behältern auf den Schultern versehen, die sich auf dem Rücken fortsetzten, und einem anzughohen, ovalen Schild, der am linken Arm des Kolosses befestigt war.

»Ich bedaure meine zwischenzeitliche Abwesenheit, Karen und Donavon.«

Das ernste Gesicht des Offiziers innerhalb des Kampfanzugs erschien in einem kleinen Ausschnitt meines Visiers.

»Der Schildverband wurde angegriffen, meine Anwesenheit war erforderlich.«

Der Anzug schwebte vorsichtig näher an uns heran. Das blasse blaue Glühen an seinen Waden wurde noch schwächer, als er zwei Meter von uns entfernt knirschend aufsetzte.

»Ihr habt den Eingang zur Quelle des Signals gefunden, leider können wir im Moment keine Einheiten zum Erforschen bereitstellen.«

Ich sah Karen irritiert an. Sie erwiderte meinen Blick und drehte sich dann dem Offizier der Organisation zu.

»Was meint ihr, Siir?« Sie deutete auf das Gemälde. »Das ist nur ein Bild.«

Das Gesicht des Mannes verzog sich zu einem Lächeln. »Das ist es sicherlich, Karen - für die einfachen Bewohner dieses Planeten. Aber Ihr besitzt ein Kommunikationsvisier und für Euch ist es damit ein Schlüssel.«

Wir wussten darauf nichts zu entgegnen.

»Seid ihr der Linie wirklich bis zum Ende gefolgt?« fragte er uns nachdrücklich.

Ich versuchte nicht zu schielen, als ich mein Visier nahezu gleichzeitig in alle Richtungen nach der orangen Linie absuchte und sie am linken Rand meines Gesichtsfeldes fand. Langsam drehte ich mich um.

Das hatten wir vollkommen übersehen.

Gebannt in die Betrachtung des Gemäldes vertieft, hatten wir nicht die übrigen Höhlenwände angesehen. Langsam gingen wir jetzt in Richtung des Tores, das dort an der linken Wand in den Felsen eingelassen war. Groß genug, den Anzug des Organisations-Offiziers zweimal übereinander und mehrere Male nebeneinander passieren zu lassen, flimmerten blauviolette Linien im Felsen und markierten den zu öffnenden Bereich. In der Mitte des Tores, in gut drei Metern Höhe, erkannte ich erneut das Emblem - zwei senkrechte Linien, seitlich und in der Höhe versetzt, zueinander im Winkel von ungefähr fünfundvierzig Grad abknickend. Der durch diese Winkel eingeschlossene Innenraum war durch fünf senkrechte Striche unterteilt - etwas symbolisierend, was mir im Moment nicht zugänglich war.

Ich schaltete mein Visier ab. Die Linien verschwanden. Ich drehte mich zum Gemälde um - nichts zu erkennen außer rudimentären Strichen der vormenschlichen Gruppe - nicht ein Hinweis auf die Sole-Sourcer, ihre Stadt oder den Gegenstand, den sie überreichten.

»Die Farbe des Bildes reflektiert Licht nur in einem eng begrenzten Wellenlängenbereich, Donavon, der im Spektrum der Ruthpark-Sonne noch dazu nur sehr schwach ausgeprägt ist«, erklärte der Offizier.

»Aus diesem Grund ist das Bild der Schlüssel«, begann ich laut zu überlegen, »die Menschen müssen zuerst die Technologie entwickeln, es überhaupt zu entdecken, dann können sie es interpretieren, um schließlich - korrekte Deutung vorausgesetzt - dieses Tor zu öffnen.«

Der Offizier nickte. »Das ist das klassische Archen-Prinzip unserer Kulturentwicklungsbehörde, um fortschrittliche Technologie nicht zu früh zurückliegenden Zivilisationen zur Verfügung zu stellen.«

Nachdenklich sah ich Karen an. »Wir hätten das niemals ohne diese Visiere entdeckt - was immer da liegt - es ist noch nicht für uns.«

Sie erwiderte den Blick. Ein kurzes Lächeln umspielte ihre Grübchen.

»Ich muss Syncc Marwiin informieren, Certeer, könnt Ihr eine Verbindung für mich herstellen?«, bat sie.

Der Offizier schwieg einen Moment, bevor er antwortete: »Das ist im Moment leider nicht möglich, Karen. Syncc Marwiin hat dem Angreifer die Flucht ermöglicht und ist nun bei ihm.«

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Playlist

Die folgende Playlist enthält Songs, die der Autor für das Lesen der einzelnen Kapitel empfiehlt.

  • Kapitel 1: Erde
    Beyonce
    I Am Sasha Fierce
    Halo
    Playlist Dummy
     
  • Kapitel 2: Zentrum
    John Powell
    Bourne Ultimatum (TOS)
    Assets and Targets, …
    Playlist Dummy
     
  • Kapitel 3: Königreiche
    Danny Elfman
    Terminator Salvation (TOS)
    Opening, …
    Playlist Dummy
     
  • Kapitel 4: Erde
    Shakira
    Pure Intuition
    Pure Intuition, …
    Playlist Dummy
     
  • Kapitel 5 Nebelwelten:
    Cafe Del Mar
    Vol. 8
    Worthless, …
    Playlist Dummy
     
  • Kapitel 6: Zentrum
    Moscow Symphony Orchestra
    Outcast (The Original Soundtrack)
    Oriental Spirit, …
    Playlist Dummy
     
  • Kapitel 7: Königreiche
    Hans Zimmer & James N. Howard
    The Dark Knight (TOS)
    Aggressive Expansion, …
    Playlist Dummy
     
  • Kapitel 8: Erde
    Dido
    Life For Rent
    Stoned, …
    Playlist Dummy
     
  • Kapitel 9: Nebelwelten
    Cafe Del Mar
    Vol. 7
    Cahuita, …
    Playlist Dummy
     
  • Kapitel 10: Königreiche
    Hans Zimmer & James N. Howard
    The Dark Knight (TOS)
    I'm Not A Hero, …
    Playlist Dummy
     
  • Kapitel 11: Zentrum
    John Powell
    Bourne Ultimatum (TOS)
    Extreme Ways,
    Faces Without Names
    Playlist Dummy
     
  • Kapitel 11: Zentrum
    Cafe Del Mar
    Vol. 7
    Close Cover, …
    Playlist Dummy
     
  • Kapitel 12: Königreiche
    Danny Elfman
    The Dark Knight (TOS)
    Reveal, …
    Playlist Dummy
     
  • Kapitel 13: Erde
    Klassik Werk
    Klassik Lounge 3
    60 Seconds, …
    Playlist Dummy
     
  • Kapitel 13: Erde
    Rihanna
    Good Girl Gone Bad: Reloaded
    Question Existing, …
    Playlist Dummy